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Kreisverband lud zur Exkursion nach Ysselsteyn ein

Siegen-Wittgenstein – Es ist heutzutage nicht leicht, die Geschehnisse und Ausmaße des Zweiten Weltkrieges zu verstehen. Gerade für junge Menschen sind es nur noch Zahlen und Fakten aus dem Geschichtsbuch. Aus diesem Grund veranstaltet der Kreisverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. regelmäßig Studientage und Exkursion , um in Erinnerung zu rufen, wieviel Leid und Tod dieser Krieg über Europa und weite Teile der Erde brachte. Zuletzt reisten 23 Schüler der Schulklasse FOS 83 (Fachoberschule Unterstufe) des Siegener Berufskollegs AHS mit ihren Lehrern Annemarie Utsch und Christian Eickbusch gemeinsam mit Ingolf Jost, dem Geschäftsführer des Kreisverband, in die Niederlande. Das Ziel der jüngsten Exkursion war die Kriegsgräberstatte in Ysselsteyn. Mehr als 31.000 Kriegstote des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem parkähnlichen Gelände bestattet. Unzählige Grabkreuze zeugen bis heute davon.

Ysselsteyn liegt etwa drei Autostunden von Siegen entfernt, direkt hinter der deutsch-niederländischen Grenze, wenige Kilometer südwestlich von Venray, einer Gemeinde mit rund 40.000 Einwohnern in der Provinz Limburg. Mit 30 Hektar Fläche ist es die größte Kriegsgräberstätte der Welt. Auf ihr ruhen alle im Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden gefallenen oder verstorbenen Deutschen, soweit sie nicht nach Deutschland überführt wurden. Für viele der mitgereisten Schüler verdeutlichten die tausenden Kreuze eindrucksvoll das Ausmaß des Krieges. „Wir haben in der Schule schon viel über den Zweiten Weltkrieg gelernt, aber durch den Anblick dieses riesigen Gräberfeldes begreift man erst die Dimensionen dieser Tragödie“, erzählt ein Schüler.

Dass jedes Kreuz für einen Menschen mit Biographie, Familie, Träumen oder Berufswünschen steht, das wurde den Teilnehmern in einem Workshop deutlich, der von der Jugendbildungsstätte des Volksbundes direkt in Nachbarschaft der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn angeboten wurde. Hier konnten die Teilnehmer anhand von historischen Dokumenten, Briefen, Tagebüchern und Bildern das Schicksal von sechs der mehr als 31.000 Kriegstoten kennen lernen. Nachdem diese von kleinen Arbeitsgruppen zu Kurzbiographien zusammengefasst worden waren, begaben sich die Schüler erneut auf den Friedhof, um die einzelnen Gräber dieser Menschen aufzusuchen. Dort angekommen, stellten die Gruppen dann die einzelnen Biographien vor.

Besonders bewegend war für viele das Schicksal des Oberleutnant Georg Quass, einem sechsfachen Familienvater, der sich mit einigen seiner damaligen Kameraden in aussichtsloser Lage den alliierten Streitkräften ergab und aufgrund eines Gefangenenaustauschs zurück in deutsche Hand geriet. Hier wurde ihm dann wegen Hochverrat der Prozess gemacht. Am 18. November 1944 wurde er standesrechtlich erschossen. Ein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Seine Ehefrau blieb mit den Kindern zurück. Ein Schüler zitierte aus dem Abschiedsbrief, der seiner Familie erhalten blieb: „Den Kindern kannst du einmal sagen, dass ihr Vater einen Fehler begangen hat, für den er mit seinem Leben büßen musste; er aber kein feiger, unwürdiger und ehrloser Mensch gewesen ist.“

Ganz anders, aber ebenso dramatisch, stellte sich das Schicksal von Anneliese Lehmann dar. Sie war als Zivilangestellte auf dem Flugplatz Stendal angestellt. Bei einer Zugfahrt in den Heimaturlaub nach Deutschland wurde sie Opfer eines Bombenangriffs am 8. April 1945 und verlor mit 25 Jahren ihr Leben.

Den Abschluss des Studientages nach Ysselsteyn bildete eine Austauschrunde, in der Eindrücke und Erkenntnisse gesammelt wurden. Viele Schüler berichteten davon, dass der Zweite Weltkrieg mit seinen Schrecken und dem Ausmaß nun für sie ein „Gesicht“ habe. Andere waren auf Grabkreuze von Menschen aufmerksam geworden, die kaum älter oder sogar noch jünger waren, als sie selbst und deren Leben aufgrund des Krieges sinnlos beendet wurde. Manch einer hatte sogar Kindergräber entdeckt.

Auch Ingolf Jost, Geschäftsführer des Kreisverband Siegen-Wittgenstein zeigte sich erneut tief bewegt von dem mahnenden Charakter der Kriegsgräberstätte. Aber er freue sich auch, so Jost weiter, dass mit diesem Studientag junge Menschen entdeckt hätten, wo ein sinnloser Krieg endet. Und er ermutigte die Teilnehmer abschließend: „Bitte setzt euch für das kostbare Gut des Friedens ein. Und engagiert euch in unserer Gesellschaft für Demokratie und Rechtsstaat!“

Quelle: Kreis Siegen-Wittgenstein

Veröffentlicht von:

Annalena Rüsche
Annalena Rüsche
Annalena Rüsche ist Redakteurin bei den Südwestfalen Nachrichten. Sie ist unter redaktion@suedwestfalen-nachrichten.de direkt erreichbar.

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