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Sauerland: “Wo die Mädchen wilder als die Kühe sind…”

Designer-Outfits aus Milchtüten

Vanessa Neumann wagte sich an ungewöhnliches Material

Von Thomas van de Wall

Anjulie mit einem chiccen Trägerkleid. Foto: van de Wall
Anjulie mit einem chiccen Trägerkleid. Foto: van de Wall

Was passiert mit der Milchtüte, wenn aus ihrem Inhalt eine leckere Latte Macchiato, ein Kuchen oder Milchshake geworden ist ? Sie landet in der Wertstofftonne. Normalerweise. Vanessa Neumann (17) angehende Modedesignerin erweckt die Milchtüte aber vor ihrem Weg in die Sortieranlage zu neuem Haute Couture-Leben. Sie schneidert aus leeren Milchtüten Designer-Stücke für Damen.

Wie kommt man darauf, aus Milchtüten Kleider zu kreieren ? Die Idee stammt nicht von Vanessa Neumann sondern von dem Meinerzhagener Fotografen Thomas van de Wall. Der hatte die zukünftige Modedesignerin vor kurzer Zeit kennen gelernt und war von ihren kreativen Umsetzungen überzeugt. Auch Vanessa Neumann konnte sich sofort mit dem Gedanken anfreunden, Kleider einmal nicht aus herkömmlichen Stoffen, sondern aus dem neuen Material „Purepac-Tüte“ zu entwerfen. Zugegeben, leere Milchtüten aus der gelben Tonne zu suchen um daraus Kleidungsstücke zu zaubern wäre schon sehr mühselig, zumal die Tüten oft nicht vollständig entleert sind und auch die eckige Form Probleme bereiten würde und mit viel Aufwand in ein planes Ausgangsmaterial zu überführen.

Also recherchierte van de Wall im Internet und fand schnell die Firma Friesland-Campina, die unter anderem das Edel-Milch Label „Landliebe“ vertreibt. Dort angerufen konnten sich die Mitarbeiter ebenfalls sofort mit der Idee anfreunden, dass aus ihren Verpackungen einmal andere Formen entstehen, als eckige, milchgefüllte Gebinde.

 

 

Schon nach einem Tag stand ein Postbote mit einem riesengroßen Paket vor Vanessa’s Haustür. Milchtüten von Landliebe in absoluter Planlage und noch nie mit dem beliebten landwirtschaftlichen Produkt in Berührung gekommen. Die junge Schneiderin konnte es nicht abwarten und wollte sofort wissen, wie sich das neue Material an der Schneiderpuppe bearbeiten lässt.
Ein wenig störrisch, ein wenig rutschig wegen der Beschichtung aber letztendlich durchaus Designer-tauglich, wie sich schnell herausstellte. Innerhalb von zwei Wochen entstanden so 10 Designer-Stücke in den unterschiedlichsten Formen. Ein Mini-Trägerkleid, ein assymetrisches Pettycoat, ein langes Kleid mit Schleppe und ein Korsagen-Kleid mit Spitzen Brüsten á la Madonna waren nur einige Modelle, die Vanessa aus Milchtüten schneiderte oder besser tackerte denn der „Klammeraffe“ erwies sich angesichts des schwierigen Materials als optimales Werkzeug zum Zusammenfügen der einzelnen Teile. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Jetzt ging es darum, die Kollektion auch ansprechend zu präsentieren.

Wie könnte ein aus Milchverpackungen entstandenes Outfit besser fotografiert werden als beim Ausgangspunkt des eigentlich vorgesehenen Inhalts – auf einer Wiese mit Kühen. Models für dieses Vorhaben wurden schnell gefunden, nachdem die Werke der Jungdesignerin an der Schneiderpuppe bei Facebook gepostet wurden. Die Resonanz war überwältigend. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach einer geeigneten Location für das Shooting denn schnell stellte sich heraus, dass die Jahreszeit eigentlich viel zu früh für Milchkühe auf der Weide ist. Landwirte bringen das Milchvieh in der Regel nach dem ersten Schnitt oder nach den „Eisheiligen“ auf die Weide. Rinder gab es ein Masse.

Mira mit einem asymmetrischen "Landliebe"-Kleid. Foto: van de Wall
Mira mit einem asymmetrischen "Landliebe"-Kleid. Foto: van de Wall

Wenngleich es dem Mode-Fachmann sicherlich egal sein dürfte, ob im Hintergrund ein Rind oder eine Kuh steht, sollte das Ergebnis dennoch authentisch sein und so musste eine Weide mich echten Milchkühen vor. Schnell wurde Fotograf Thomas van de Wall in Wilbringhausen auf dem Hof Kemper fündig. Der Landwirt ist einer der Wenigen, die schon jetzt die Milchkühe auf der Weide hat. Auch er konnte schnell von der Idee überzeugt werden und so stand die Location für das Shooting fest. Bei einem professionellen Mode-Shooting gibt es neben der Designerin den Fotografen, und die Stylistin. Das alles gab es beim Shooting in Wilbringausen auch. Zusätzlich wurde die Landwirte Karl-Wilhelm und Dennis Kemper engagiert, die genau wissen, wie seine Kühe ticken, welche auf Leckerchen gut reagieren und welche absolut Posingsicher sind. Seine Erfahrung war genau so unentbehrlich wie die von Stylistin und Profi-Model Melina Hoefener die in der Lage war, die neun Models am Weiden-Set schön aussehen zu lassen. Kein alltäglicher Job für alle – aber durchaus reizvoll. Die Models aus Meinerzhagen, Lüdenscheid, Olpe und Gummersbach – also alle Sauerland-tauglich freundeten sich schnell mit den Vierbeinigen Komparsen am Foto-Set an. Gegenseitiges Interesse war für das Fotoergebnis förderlich.
Da natürlich das sauerländische Abendlicht am schönsten ist, gleichzeitig aber die Kühe auch in den Stall mussten und gemolken werden mussten hieß es für alle Beteiligten: Arbeiten unter Stress. Hier und da musste ein Outfit kurz geändert werden. Die Klebepistole, der Tacker und das Gaffer-Tape waren beliebte Werkzeuge für kurzzeitige Änderungen an den Designer Stücken. Schließlich waren nach zwei Stunden alle Fotos „im Kasten“ und alle waren zufrieden. Jetzt ist die ausgefallene Kollektion von Vanessa Neumann in Form von Fotos festgehalten.
Fotograf Thomas van de Wall ist übrigens überzeugt, dass Vanessa Neumann irgendwann einmal die Laufstege der Welt mit ihren Kreationen beglücken wird. Die 17-jährige Fachabtiturientin möchte so gerne Modedesign studieren. Allein die finanziellen Mittel sind das Problem. Die Schülerin war vor einigen Wochen alleine mit dem Zug nach Berlin gefahren. Dort bietet die renommierteste private Modeakademie ESMOD den Studiengang „Modedesign“. Vanessa wollte sich dort einfach mal mit Ihrer Zeichenmappe vorstellen und an einer Aufnahmeprüfung teilnehmen.

Sie hätte natürlich nie damit gerechnet, dass sie für das im Sommer beginnende Studium auf anhieb angenommen würde und die Dozenten in der Bundeshauptstadt eine große Zukunft prophezeiten. Mit dem Wissen, dass Ihre Arbeiten unter Fachleuten gut ankommen und ihr der Studienplatz im Prinzip sicher ist, trat Vanessa ihre Heimreise an.
„Ein bisschen traurig bin ich schon, denn ich werde nie die finanziellen Mittel haben um Studium und Mietwohnung in Berlin finanzieren zu können“, erklärte die junge Designerin. Mit ihrem Fachabitur kann sie sicherlich eine Ausbildung als Krankenschwester anfangen. Das wäre aber nur ihre zweite Wahl denn Zeichenblock und die Nähmaschine sind ihre Welt.

So lobenswert und sicher auch sinnvoll die Ausbildung zur Krankenschwester sein mag, ihre Kreativität kann Vanessa aber nur in der Modewelt ausleben aber der Weg dahin ist so teuer, dass selbst ihre Eltern sie auf diesem Weg nicht unterstützen könnten. Ihre Milchtüten-Kollektion sorgte zumindest schon für Aufmerksamkeit – nicht nur bei den Kühen auf Kempers Hof.

Eine Fotostrecke zum Shooting findet Ihr bei unseren NRW-online.org Netzwerk Kollegen von Sauerland2Day.

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