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Geschichte als Mahnung und Verantwortung: Zeitzeuge eröffnet Ausstellung im Olsberger Rathaus

Olsberg – Geschichte wird immer dann begreifbar, wenn sie ein „Gesicht“ bekommt, einen Namen, wenn Menschen hinter ihr stehen. Die Lebensgeschichte des 87-jährigen Fred Stern hinterließ jetzt tiefe Eindrücke bei denjenigen, die zur Eröffnung der Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ ins Olsberger Rathaus gekommen waren. Denn das, was vielen Menschen heute höchstens aus Geschichtsbüchern bekannt ist, hat Fred Stern selbst erlebt.

Im Jahr 1928 wurde Fred Stern in Bigge geboren – sein Vater Albert betrieb damals mit dessen Bruder Julius die heutige Metzgerei Funke-Schnorbus. Gemeinsam mit seiner Familie und seinen Freunden verlebte er als Junge einen Teil seiner Kindheit in Bigge – bis er 1938 gemeinsam mit seiner Familie in die USA nach Philadelphia auswanderte: Für Deutsche jüdischen Glaubens war kein sicherer Platz mehr im nationalsozialistisch gleichgeschalteten Deutschland. Die Familie Stern überlebte – mehr als sechs Millionen Juden verloren als Folge des NS-Regimes ihr Leben.

Immer wieder nehmen auch die Menschen in Olsberg die Geschichte ihrer früheren jüdischen Mitbürger in den Blick. Bereits 1995 hatte die Stadt Olsberg an der Stelle, an der sich früher die jüdische Schule und Synagoge befanden, eine schlichte Gedenkstätte errichtet, um den 38 Mitgliedern der ehemaligen Synagogengemeinde Bigge ein bleibendes Gedenken zu wahren. Im Jahr 2013 hat die Bürgervertretung dann auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, das Projekt „Stolpersteine – Erinnerung an die NS-Opfer“ umzusetzen – unter Federführung des Heimatbundes Olsberg.

Fred Stern trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Olsberg ein – gemeinsam mit Ehefrau Sheila und Bürgermeister Wolfgang Fischer (Foto: Stadt Olsberg).
Fred Stern trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Olsberg ein – gemeinsam mit Ehefrau Sheila und Bürgermeister Wolfgang Fischer (Foto: Stadt Olsberg).

Angebracht werden sollen die symbolischen Stolpersteine im August – schon jetzt wurde die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ eröffnet. Erarbeitet wurde sie gemeinsam von Heimatbund, dem Arbeitskreis „Stolpersteine“, Schülerinnen und Schülern der Klasse 6d der Sekundarschule der Stadt Olsberg sowie von Kindern und Jugendlichen der Schule an der Ruhraue. Sie zeigt Bilder und Lebensdaten von Deutschen jüdischen Glaubens, die früher im heutigen Stadtgebiet Olsberg gelebt haben. Bigge, Olsberg, Assinghausen sind einige Geburtsorte – als Ort, an dem das Leben endete, ist mitunter „Auschwitz“ oder „Theresienstadt“ zu lesen. Die Gesichter dieser Menschen werden so zur Mahnung – dass Geschichte immer konkrete Auswirkungen hat; aber auch, dass die heutige Generation in der Verpflichtung und Verantwortung steht, das zu gestalten, was später einmal Geschichte werden wird.

Seine Geschichte erzählte den Menschen im Olsberger Ratssaal auch Fred Stern – wie er den Ort, der für seine Familie und Vorfahren über hunderte von Jahren Zuhause war, verlassen musste, und vom schwierigen Neuanfang in den Vereinigten Staaten, wo er als Kind Zeitungen verkaufte, um zum Familienunterhalt beizutragen. Von der Ausstellung und dem herzlichen Empfang zeigte der 87-Jährige sich beeindruckt: „So etwas habe ich nicht erwartet.“ Bürgermeister Wolfgang Fischer lud den Gast ein, sich ins Goldene Buch der Stadt Olsberg einzutragen: „Weil das Leben unserer damaligen jüdischen Mitbürger ein untrennbarer Bestandteil der Olsberger Stadtgeschichte ist, haben wir – die heutige und die nachfolgende Generation – die Verpflichtung und die Aufgabe, die Erinnerung lebendig zu halten.“ Dazu mahnte auch Uta Weigand für den Arbeitskreis „Stolpersteine“ – man sehe die „Verantwortung, dass hinter jedem Namen ein Gesicht und hinter jedem Gesicht eine Geschichte steht.“

Fred Stern ließ es sich gemeinsam mit Ehefrau Sheila, seinen Kindern und Enkeln nicht nehmen, die Ausstellung persönlich in Augenschein zu nehmen. Vorgestellt wurde sie von „Schüler-Guides“ der beteiligten Schulen – eine Tatsache, die besonders Sheila Stern sichtlich rührte. 27 Jahre lang habe sie selbst als Lehrerin mit jungen Menschen gearbeitet – für sie sei die Ausstellung deshalb besonders bewegender Moment, sagte sie gegenüber den Schülerinnen und Schülern: „Das, was ihr hier geschaffen habt, kann euer Leben und eure Persönlichkeit begleiten.“

Die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ ist bis zum 30. August zu den üblichen Öffnungszeiten im Olsberger Rathaus zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Schüler-Guides stellten die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ vor (Foto: Stadt Olsberg).
Schüler-Guides stellten die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ vor (Foto: Stadt Olsberg).

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