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MS-Kranker sucht acht Monate nach einer Wohnung

Vater mit Multiple Sklerose berichtet von seiner schwierigen Suche nach einer behindertengerechten Wohnung

Siegen-Weidenau – Lautlos schleicht die Katze im Wohnzimmer über den Laminatboden und springt mit einem Satz auf die Couch. „Wir haben zwei Katzen, aber die hier kann mit mir nichts anfangen, die beschäftigt sich lieber mit meiner Tochter“, sagt Volker Schäfer mit einem leichten Schmunzeln. Der 43-Jährige und seine Tochter (18) haben sich in ihrer neuen Wohnung in Weidenau gut eingelebt. Dass sie und ihre beiden Hauskatzen heute ein Dach über dem Kopf haben, war vor kurzem noch ungewiss. Nachdem ihm sein Vermieter wegen Eigenbedarf kündigt, sucht er mehr als acht Monate vergeblich nach einer neuen Wohnung, steht kurz vor der Räumungsklage. Volker Schäfer leidet an Multiple Sklerose (MS), einer chronisch-entzündlichen Krankheit, die das zentrale Nervensystem befällt. Die Suche nach einer bezahlbaren, behindertengerechten Wohnung in Siegen lässt ihn schier verzweifeln. Schließlich wendet er sich an die Wohnungslosenhilfe der Diakonie, die ihn in das „Ambulant Betreute Wohnen” aufnimmt. Dank Sozialpädagogin Stefanie Junghans findet er nach langer Suche ein passendes Zuhause.

Die Wohnungslosenhilfe unterstützt Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind. Hilfesuchende werden umfassend beraten sowie bei Alltagsfragen und bei der Organisation des Haushalts unterstützt. Der Fall von Volker Schäfer war für Stefanie Junghans eine besondere Herausforderung. „Wir hatten eine Menge Vorarbeit“, erinnert sich die Sozialpädagogin. „Die Wohnung musste nicht nur behindertengerecht sein, also ebenerdig und barrierefrei, sondern auch zentral liegen, damit die Tochter gut zur Schule kommt. Außerdem waren Größe und Preis vom Amt vorgegeben. Das machte die Suche nicht leichter.“ Volker Schäfer ärgert sich über das Angebot behindertengerechter Wohnungen: „Die sind entweder dermaßen teuer oder sie existieren einfach nicht.“

Nach etlichen Telefonaten mit Behörden und Anfragen bei verschiedenen Wohnungsgenossenschaften ist endlich Licht am Horizont – eine Wohnungsanzeige der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein. „Als die Anfrage kam, haben wir die besondere soziale Verantwortung erkannt, und es war ganz klar, dass wir Volker Schäfer den Vorrang lassen“, so Martin Lauffer, Geschäftsführer der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein. Innerhalb eines Tages meldet sich die Kreisbahn zurück. Da Schäfer keine Küche besitzt, kauft die Bahngesellschaft die der Vormieterin ab. In monatlichen Raten kann er sie nun abbezahlen. Die Erleichterung steht dem 43-Jährigen ins Gesicht geschrieben: „Wir hatten Glück mit dieser Wohnung. Sie liegt zentral, aber es ist trotzdem ruhig. Außerdem sind die Räume groß genug, sodass ich mich mit dem Rollstuhl gut bewegen kann.“

Dank engagierter Helfer kann Volker Schäfer aufatmen (von links): Kai Schütz, Rotkreuzleiter DRK Niederschelden, Stefanie Junghans und Michael Gieseler vom Ambulant Betreuten Wohnen, Martin Lauffer, Geschäftsführer Kreisbahn Siegen-Wittgenstein (Foto: Diakonie in Südwestfalen gGmbH).
Dank engagierter Helfer kann Volker Schäfer aufatmen (von links): Kai Schütz, Rotkreuzleiter DRK Niederschelden, Stefanie Junghans und Michael Gieseler vom Ambulant Betreuten Wohnen, Martin Lauffer, Geschäftsführer Kreisbahn Siegen-Wittgenstein (Foto: Diakonie in Südwestfalen gGmbH).

Der Umzug in die neue Wohnung stellt sich als die nächste große Hürde heraus. Doch auch hier kann Volker Schäfer auf tatkräftige Hilfe zählen. Auf der Internetseite „Verein gegen Armut Siegen“ lesen Kai Schütz und seine Kollegen vom Deutschen Roten Kreuz in Niederschelden von der Wohnungssuche. „Wir hatten zwar keine Wohnung zu vermieten, konnten aber unsere körperliche Kraft und Fahrzeuge anbieten. Abends haben wir uns im Team beraten und beschlossen, dass wir etwas tun müssen“, erzählt der Rotkreuzleiter. Mit acht Kollegen übernehmen sie den kompletten Umzug sowie den Krankentransport. „Allen, die uns geholfen haben, muss ich Dank aussprechen. Alleine hätten wir das nie geschafft“, wiederholt Schäfer immer wieder. Rückblickend geht es dem Niederscheldener heute wesentlich besser. „Ich kann nach all dem Ärger und dem Stress endlich zur Ruhe kommen.” Auch Michael Gieseler, Leiter des Ambulant Betreuten Wohnens, freut sich über den positiven Ausgang. Obwohl die lange Wohnungssuche und der Umzug ein positives Ende finden, hat sich Schäfers aktuelle Situation leider verschlechtert.

1999 erhält er die Diagnose Multiple Sklerose. Während er in den ersten Jahren kaum Probleme hat, fällt ihm das Gehen mit der Zeit immer schwerer. „Irgendwann wollten meine Beine gar nicht mehr.“ Er ist die meiste Zeit ans Bett gefesselt, sitzt nur noch stundenweise im Rollstuhl. Seit Anfang Dezember leidet er vermehrt an krampfhaften Muskelspannungen, so genannten Spastiken, daher ist das Sitzen im Rollstuhl zurzeit zu riskant. Der 43-Jährige spielt mit dem Gedanken, ein Buch über das Leben mit Multiple Sklerose zu schreiben, um Außenstehenden zu zeigen, mit welchen Problemen Betroffene im Alltag zu kämpfen haben. „Meine Beine brennen manchmal wie Feuer. Ich habe Schmerzen in Muskeln, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie habe.“ Es gibt aber auch gute Tage, an denen er neue Hoffnung schöpft. „Ich wünsche mir, wieder selbstständiger zu sein. Ich möchte in die Stadt fahren, mich mit Freunden treffen und auf dem Weihnachtsmarkt eine Bratwurst essen.“ Das ging letztes Jahr leider nicht.

Da die Wohnungslosenhilfe der Diakonie immer auf der Suche nach kleinen Wohnungen ist, können sich Vermieter aus Siegen und Umgebung bei Michael Gieseler unter folgender Telefonnummer melden: 0271 30320945.

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