Rainer Prokott in den Ruhestand verabschiedet
Märkischer Kreis (pmk) – Bei nur drei Gegenstimmen beschlossen die Kreistagsmitglieder den 486 Millionen-Etat für das kommende Haushaltsjahr des Kreises.
Es muss schon ein besonderer Mensch mit einer herausragenden beruflichen Lebensleistung sein, wenn sich bei dessen letztem Auftritt alle Kreistagsmitglieder von ihren Sitzen erheben und applaudieren. So geschehen in der jüngsten Sitzung des Kreistages. Damit bezeugten die Kreispolitiker einem Mann Respekt, der zum Ende des Jahres nach 48 Jahren im Öffentlichen Dienst in den Ruhestand geht.
Rainer Prokott (65) aus Iserlohn-Oestrich fing 1967 als Verwaltungspraktikant beim damaligen Landkreis Iserlohn an und durchlief anschließend eine dreijährige Inspektoren-Ausbildung. Seit 1982 war er das Bindeglied zwischen Verwaltung und Politik im Lüdenscheider Kreishaus. „31 der letzten 33 Jahre war Rainer Prokott für den reibungslosen Betrieb der verfassungsrechtlichen Organe des Märkischen Kreises – also Kreistag, Kreisausschuss und Landrat/OKD verantwortlich“, so Landrat Thomas Gemke in seiner kurzen Laudatio. Alle Vorsitzenden der im Kreistag vertretenen Parteien nutzten ihre Haushaltsreden, um sich ihrerseits bei dem Iserlohner zu bedanken.
In der politischen Debatte stand die Verabschiedung des Etats für das kommende Jahr im Mittelpunkt. Er sieht Ausgaben in Höhe von gut 486 Millionen Euro vor. Die Kreisumlage wird auf 47,21 Prozentpunkte festgesetzt. Die Differenzierte Kreisumlage für die acht Städte und Gemeinden ohne eigenes Jugendamt, für die der Kreis diese Aufgabe übernimmt, sinkt von 17,77 auf 17,70 Prozentpunkte. Alle eventuellen Entlastungen bei der Landschaftsumlage werden an die kreisangehörigen Kommunen weiter gegeben. Die Haushaltssatzung wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Lediglich die drei Vertreter der Fraktion Die Linke votierten dagegen. Alle übrigen Fraktionen stimmten zu. Vor der Abstimmung nutzten die Fraktionsführer traditionell die Gelegenheit für ihre Haushaltsreden. Alle thematisierten die aktuell gute konjunkturelle Lage, sprudelnde Steuereinnahmen, warnten aber auch davor, dass wieder schlechtere Zeiten für die Kommunen kommen.
Carsten Meininghaus (CDU) nahm verbal eine Anleihe bei der Bibel, zitierte aus dem 1. Buch Mose, in dem die sieben fetten und sieben mageren Jahre thematisiert werden. Zurzeit stehe der Kreis „auf der Sonnenseite“, das dürfe aber den Blick auf künftige Herausforderungen nicht versperren. Meininghaus führte – wie alle Fraktionsvorsitzenden – die aktuelle Flüchtlingssituation an. „Man kommt vielfach an Leistungsgrenzen, und es ist ganz klar, dass sich solche Kraftakte wie in den letzten Monaten nicht ohne weiteres wiederholen lassen.“ Und weiter: „Unsere Mittel sind endlich.“
Die stetig steigenden Sozialausgaben, vor allem die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, stellte SPD-Vize Wolfgang Rothstein an den Anfang seiner Ausführungen. Die sei beim Landschaftsverband, der vom Kreis mitfinanziert werde, erneut um 100 Millionen Euro gestiegen. 870.000 Euro Mehrbelastung für den Kreishaushalt sieht Rothstein bei den prognostizierten 750 zusätzlichen Bedarfsgemeinschaften und den damit verbundenen steigenden Kosten der Unterkunft beim Arbeitslosengeld II. „Die SPD-Kreistagsfraktion hat sich dafür ausgesprochen, diese Summe nicht über eine Erhöhung der Kreisumlage von den Städten und Gemeinden einzufordern. Wir nehmen damit die finanziellen Nöte unserer Kommunen sehr ernst und entlasten sie an dieser Stelle.“ Erfreut registrierte Sozialdemokrat die positive Jahresbilanz der Märkischen Kliniken, die fast eine Million Euro Überschuss ausweise.
Der aktuelle Klimagipfel in Paris und die prognostizierte Erderwärmung von zwei Grad fand Erwähnung in der Etatrede von Renate Oehmke, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen. Die Lösung der Probleme müssten, um wirksam zu werden, dezentral angepackt werden – und möglichst überall. Rückhaltlose Unterstützung der Grünen bekommt Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Mittelfristig müsse günstiger Wohnraum entstehen. „Wir erwarten auch ein stärkeres Engagement der Verwaltung für die Berufskollegs des Kreises. Wir müssen jungen erwachsenen Flüchtlingen die Chance geben einen ihren Anforderungen entsprechenden Schulabschluss oder eine Ausbildung machen zu können – und das möglichst schnell“, sagte Oehmke.
Auf die finanziellen Versäumnisse von Bund und Land hinzuweisen, erspare er sich dieses Mal, so FDP-Fraktionsvorsitzender Axel Hoffmann. „Die schiere Menge der schutz- und bessere Lebensumstände suchenden Menschen bestimmt bis auf weiteres die politische Agenda. Wir müssen zeigen, dass sich unsere demokratische Gesellschaft gegen dumpfe Ausländerfeindlichkeit und platte, sogenannte einfache Antworten, beispielhaft zur Wehr setzt.“ Hoffmann forderte mehr interkommunale Zusammenarbeit. Er nannte die Windkraft, die Krankenhauslandschaft, das Flächenmanagement und die medizinische Grundversorgung als Beispiele. Es sei für ihn sehr bedauerlich, dass Südwestfalen bei den Kompetenzzentren 4.0 nicht vertreten sei.
„Die Zitrone ist ausgepresst“, rief UWG-Fraktionsvorsitzender Walter Gertitschike seinen Zuhörern zu. Der Kreis lebe seit langer Zeit mit der Haushaltskonsolidierung. Stellenabbau und Überprüfung von freiwilligen Leistungen begleiteten den Kreistag seit Jahren als ständige Aufgabe. Als „Einwohnerveredelung“ bezeichnete er Verteilung von Landesmitteln bevorzugt an die kreisfreien Städte in den Ballungsräumen Nordrhein-Westfalens. „Aus Westfalen darf nicht Restfalen werden“, zitierte Gertitschke LWL-Direktor Dr. Matthias Löb. Der „Unabhängige“ beklagte die fehlende Wertschätzung der kommunalpolitisch Aktiven. Es sei immer schwerer Menschen für die Mitarbeit in kommunalen Gremien zu gewinnen. Als „unverfroren“ bezeichnete Gertitschke die sehr kurzfristige Mitteilung der Regierungspräsidentin bei der Zuweisung von Flüchtlingen.
Den sozialen Frieden in den Städten und Gemeinden gefährdet sieht Manuel Huff, Fraktionsvorsitzender Die Linke. „Es gibt immer mehr Tafeln. Man sieht immer mehr Menschen, die Mülleimer nach Pfandflaschen durchwühlen. Die Zahl der Armutsrenter und Niedriglöhner wächst. Der Kreis verschärft derlei Zustände durch die Absenkung der zugestandenen Mieten für Bezieher von Sozialleistungen“, so Huff. Nebenbei forciere man die Ghettoisierung, weil Leistungsbezieher gezwungen seien, in bestimmte Wohnungen in ganz bestimmten Stadtteilen zu wohnen. Der vorliegende Haushalt gestalte nichts, er verwalte nur.
Vertreter des Unterstützerkreises der von Abschiebung bedrohten Familie Kaludra aus Plettenberg hatten die Einwohnerfragestunde zu Beginn der Kreistagssitzung genutzt, um sich noch einmal für ein Bleiberecht der Kaludras einzusetzen.
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